Verkehrspolitik gegen das Gewerbe? – Warum ich Antworten fordere
- Carlos Reinhard
- 4. Juni
- 2 Min. Lesezeit
Ich beobachte mit grosser Sorge eine Entwicklung in unseren Städten, die für viele Handwerker, Dienstleister und auch pflegende Dienste zur Belastung wird. Immer häufiger werden Fahrspuren gestrichen, Ladezonen aufgehoben oder Zufahrten gesperrt, ohne dass funktionierende Alternativen geschaffen werden. Was gut gemeint ist – etwa zur Förderung des Veloverkehrs oder zur Begrünung von Quartieren – wird zur realen Bedrohung für die Versorgungssicherheit in unseren Innenstädten.
Deshalb habe ich im Grossen Rat eine Interpellation eingereicht. Ich will wissen: Wie geht der Kanton mit dieser Entwicklung um – und was tut er, um die Erreichbarkeit für Gewerbe und Betreuungsdienste sicherzustellen?
Wenn das Gewerbe nicht mehr arbeiten kann
Als Unternehmer kenne ich die Realität: Handwerker müssen Werkzeuge und Material in die Nähe der Baustelle bringen können. Lieferdienste brauchen Ladezonen. Pflegedienste und mobile Ärzte müssen ihre Patienten zuverlässig und pünktlich erreichen – auch im Notfall.
Doch in immer mehr Städten wird genau das fast unmöglich. Zufahrtsbeschränkungen, fehlende Haltemöglichkeiten und unklare Regeln führen dazu, dass Einsätze verunmöglicht oder nur mit grossem Mehraufwand erbracht werden können. Viele Betriebe ziehen sich deshalb aus gewissen Zonen zurück. Das ist nicht nur ein wirtschaftliches Problem – es ist eine reale Gefahr für die Grundversorgung der Menschen, insbesondere für ältere oder gesundheitlich eingeschränkte Personen.
Die Stadt ist kein Freilichtmuseum
Ich bin überzeugt: Eine moderne Verkehrspolitik muss ökologisch, aber auch wirtschaftlich und sozial verträglich sein. Es reicht nicht, einzelne Zielgruppen zu bedienen und andere zu ignorieren. Wer will, dass unsere Städte gepflegt, versorgt und erhalten bleiben, muss auch ermöglichen, dass die Menschen, die diese Arbeit leisten, dorthin gelangen können – zuverlässig und ohne Hürden.
Meine Interpellation im Überblick
Mit meiner Interpellation fordere ich vom Regierungsrat Antworten auf folgende Fragen:
Wie schätzt der Regierungsrat die aktuelle Erreichbarkeit der grösseren Städte im Kanton für Handwerker, Lieferdienste, Pflegedienste und weitere mobile Dienstleister ein?
Wie beurteilt er die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen stark eingeschränkter Lade- und Zufahrtsmöglichkeiten – insbesondere für die Versorgung älterer und betreuungsbedürftiger Menschen?
Gibt es im Kanton Mindeststandards oder Empfehlungen, die sicherstellen, dass Gewerbe- und Betreuungsbedürfnisse in städtischen Verkehrskonzepten berücksichtigt werden?
Inwiefern kann der Kanton bei kommunalen Verkehrskonzepten mitreden – besonders dann, wenn Kantonsmittel eingesetzt werden?
Ist der Regierungsrat bereit, künftig systematisch zu prüfen, wie sich Verkehrsprojekte auf Gewerbe, Versorgungssicherheit und Erreichbarkeit auswirken – und dies transparent zu machen?
Wäre er bereit, in einem Bericht aufzuzeigen, welche städtischen Projekte in den letzten fünf Jahren die Erreichbarkeit verschlechtert haben – und welche Massnahmen dagegen geplant sind?
Für eine pragmatische Verkehrspolitik mit Augenmass
Ich setze mich dafür ein, dass der Umbau unserer Städte nicht auf dem Rücken von Gewerbe und Versorgung ausgetragen wird. Es geht nicht um ein Entweder-oder, sondern um ein kluges Sowohl-als-auch. Ich fordere keine Rückkehr zur autogerechten Stadt – aber ich fordere Respekt und realistische Lösungen für alle, die unsere Städte am Laufen halten.