EU-Abstimmung über „Chat Control“: Bedrohung oder notwendiger Schutz?
- Carlos Reinhard
- 7. Okt.
- 2 Min. Lesezeit
In der kommenden Woche steht im Rat der Europäischen Union eine brisante Abstimmung an: Am 14. Oktober 2025 beraten die EU-Innen- und Justizminister über den Entwurf der sogenannten CSA-Verordnung – im Volksmund besser bekannt als „Chat Control“. Ziel des Gesetzes ist es, den sexuellen Missbrauch von Kindern im Internet zu bekämpfen. Zu diesem Zweck sollen Anbieter von Kommunikationsdiensten – also Messenger, E-Mail- und Chat-Apps – verpflichtet werden, ihre Plattformen nach verdächtigen Inhalten zu durchsuchen.

Was auf den ersten Blick nachvollziehbar erscheint, hat erhebliche datenschutzrechtliche und demokratische Konsequenzen: Damit solche Scans funktionieren, müssten private Chats analysiert werden, möglicherweise noch bevor sie verschlüsselt werden. Kritiker sehen darin eine flächendeckende Überwachung privater Kommunikation und eine Aushöhlung der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung.
Die aktuelle Kompromissfassung der dänischen Ratspräsidentschaft versucht zwar, diese Kritik aufzufangen:
Scans sollen nur als letztes Mittel bei hohem Risiko angeordnet werden,
sie sollen sich nur auf Bilder und Links (nicht auf Texte) beziehen,
und bei verschlüsselten Diensten nur mit Einwilligung der Nutzer erfolgen.
Trotzdem bleibt der Grundsatz bestehen: Staatliche Eingriffe in private Kommunikation werden in der EU künftig rechtlich möglich.
Ein Widerspruch in der EU-Politik
Geradezu paradox wirkt, dass die gleiche EU von Unternehmen und Verwaltungen mit ihrem Digital Services Act (DSA) und der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) höchste Anforderungen an Datensicherheit, Verschlüsselung und Vertraulichkeit verlangt – während sie gleichzeitig Gesetze plant, die genau diese Sicherheit untergraben. Statt Vertrauen in ihre Bürgerinnen und Bürger zu setzen, scheint die EU zunehmend von der Vorstellung geleitet, die eigene Bevölkerung sei das grösste Risiko. Das Resultat: immer mehr Bürokratie, immer mehr Kontrollen, immer weniger Freiheit.
Bedeutung für die Schweiz
Für Schweizer Anbieter gilt diese Regelung vorerst nicht direkt. Doch sobald sie EU-Nutzer aktiv ansprechen, könnten auch sie betroffen sein.Das Beispiel zeigt deutlich, wie wichtig es ist, dass die Schweiz eine eigenständige, freiheitliche Digitalpolitik verfolgt – mit klaren Datenschutzstandards, aber ohne staatliche Überwachung.
Als Liberaler setze ich mich für eine starke Verschlüsselung, digitale Eigenverantwortung und gezielten Kinderschutz ohne Massenüberwachung ein. Die Entscheidung vom 14. Oktober verdient daher aufmerksame Beobachtung – sie könnte wegweisend sein für den künftigen Umgang Europas mit Privatsphäre, Sicherheit und Freiheit im digitalen Raum.
Nachtrag folgt nach der Abstimmung.







