Ladenöffnungszeiten im Kanton Bern: Höchste Zeit für mehr Flexibilität
- Carlos Reinhard
- 5. Juni
- 2 Min. Lesezeit
Die Innenstädte im Kanton Bern verändern sich – und nicht zum Guten. Immer mehr Ladenlokale stehen leer, die Frequenz in Einkaufsstrassen nimmt ab, ganze Quartiere verlieren an wirtschaftlicher und sozialer Vitalität. Als Unternehmer, Politiker und überzeugter Liberaler habe ich mich in den letzten Jahren intensiv mit dem Strukturwandel im Detailhandel und den Ursachen des Ladensterbens beschäftigt.
Ein zentrales Problem: Die geltenden gesetzlichen Rahmenbedingungen passen nicht mehr zur heutigen Lebens- und Arbeitswelt. Öffnungszeiten sind stark reglementiert, gerade in Städten ohne Tourismusstatus oder grossen Bahnhof. Wer spontan abends oder sonntags einkaufen will – vielleicht nach einem Ausflug, Konzert oder Spaziergang durch die Stadt – hat Pech. Die Läden haben zu. Nicht aus freiem Entscheid, sondern weil es der Staat so vorschreibt.
Online rund um die Uhr – Läden strikt reglementiert
Online-Shops wie Zalando, Galaxus oder Amazon kennen keine Ladenschlusszeiten. Sie sind jederzeit offen – und liefern am Sonntag, am Abend oder über Nacht. Tankstellen und Bahnhofsshops haben grosszügige Ausnahmeregeln. Das klassische Fachgeschäft oder der Quartierladen hingegen muss sich an starre Zeiten halten – selbst wenn es ein inhabergeführter Betrieb ist, der auch abends oder sonntags freiwillig offen wäre.
Diese Ungleichbehandlung ist nicht mehr zeitgemäss. Sie schadet dem stationären Gewerbe und beschleunigt den Niedergang unserer Innenstädte. Der Gesetzgeber ist gefordert.
Andere Länder machen es vor
In Italien etwa entscheiden viele Ladenbesitzer selbst, wann sie öffnen: morgens, dann Siesta, später wieder offen – oft sogar am Abend, wenn die Menschen unterwegs sind. In Spanien oder Portugal ist es ähnlich. Auch dort gibt es Schutzbestimmungen für Arbeitnehmende – aber mehr Vertrauen in die Eigenverantwortung der Unternehmer.
Warum sollte das im Kanton Bern nicht auch möglich sein? Wer freiwillig zu Randzeiten arbeiten will – zum Beispiel in einem Familienbetrieb, als Student oder Teilzeitkraft – sollte das dürfen. Arbeit mit Sinn, Kundenkontakt, Zulagen oder flexible Modelle sind vielen lieber als Bürokratie und Vorschriften.
Meine Forderung: Rahmenbedingungen modernisieren
Mit meiner Interpellation im Grossen Rat fordere ich den Regierungsrat auf, folgende Fragen zu prüfen:
Warum gelten für gewisse Orte (z. B. Tankstellen, Bahnhöfe) grosszügige Öffnungszeiten – für andere jedoch nicht?
Wie lassen sich inhabergeführte Läden und freiwillig arbeitende Personen besser einbinden?
Ist es möglich, auch Städte mit Event- oder Wochenendtourismus (z. B. Thun, Biel, Bern) als Tourismusorte einzustufen?
Weshalb ist das Sortiment in Tourismusgemeinden beschränkt – und ist das noch sinnvoll?
Könnte man einen Pilotversuch mit flexiblen Ladenöffnungszeiten in einer interessierten Gemeinde durchführen?
Welche wirtschaftlichen Chancen ergeben sich für die Innenstädte, das lokale Gewerbe und neue Erwerbsmodelle?
Es braucht mehr Vertrauen – nicht mehr Vorschriften
Ich bin überzeugt: Wer Verantwortung übernimmt, soll auch mehr Gestaltungsspielraum erhalten. Der Staat muss nicht für jede Kasse entscheiden, wann sie klingeln darf. Es geht nicht um 24/7-Konsumzwang, sondern um mehr Wahlfreiheit, mehr Eigenverantwortung und mehr Zukunft für unsere Innenstädte. Lassen wir Menschen, die bereit sind zu arbeiten, dies auch dann tun, wenn es sich für sie – und ihre Kunden – lohnt.